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Scheitern des Westens in Afghanistan

Editorial der Ausgabe Oktober 2021

Verehrte Leserinnen und Leser,

Deutschland hat gewählt und über die Zusammensetzung des nächsten Deutschen Bundestages entschieden. Nach einem leider fast ausschließlich an Personen und weniger an Programmen orientierten Wahlk(r)ampf wird nun auf allen Ebenen analysiert und (vor)sondiert. Für mich persönlich war die Kappung der rechten und linken Ränder mit ihren fließenden Übergängen zum Extremismus ein positives Zeichen für die Demokratie. Einige wichtige Themen wie die äußere und innere Sicherheit blieben vor der Wahl mehr oder weniger außen vor, gezwungenermaßen mit Ausnahme der desaströsen Bilder aus Afghanistan. Nach 20 Jahren hatte der Westen mit seinen Aufbauhilfen eine vernichtende Niederlage erlitten. Prof. Dr. Stefan Goertz zeigt in einer ersten Analyse die Fehler historischen Ausmaßes von Politik und Nachrichtendiensten auf. Damit endete auch die engagierte Arbeit des German Police Projekt Team (GPPT). Manche sehen die Vermittlung von inneren Werten und das überzeugte Eintreten für eine Staatsform nach westlichem Vorbild als defizitär an. Die Strategie der Taliban des Abwartens „Ihr habt die Uhren, wir haben die Zeit“ hat sich wieder einmal als erfolgreich erwiesen. Derzeit sprechen viele Anzeichen dafür, dass der Westen eine Appeasement-Politik gegenüber den Taliban etablieren möchte. Der renommierte Islamwissenschaftler Bassam Tibi warnt in einem Gastkommentar für die NZZ vom 2.10.2021 davor, insbesondere vor der Illusion, dass die Taliban als Verbündete gegen die Terrorgruppe IS eingesetzt werden könnten. Beide seien zwar verfeindet, kämpften aber für die gleiche Sache: die Etablierung einer islamistischen Hegemonie.

Im Februar 2021 präsentierte Bundesfamilienministerin Giffey einen „Schutzbrief“ gegen weibliche Genitalverstümmelung. Dr. Isabel Lang gibt einen Überblick über die präventiven Entwicklungen, die es gibt und was noch getan werden sollte. Sie plädiert für eine multifaktorielle Prävention, die sich entschieden dagegen ausspricht, zugleich aber kultursensibel vorgeht und Betroffenen auf Augenhöhe begegnet. Rainer Becker und Gesa Stückmann schlagen vor, die guten Ansätze im Bereich des Cybermobbings zu mehr Prävention durch Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche auch auf den Bereich der Kinderpornografie zu übertragen. Die künftige Infrastruktur mit Quantentechnik ist ein Aspekt digitaler Daseinsfürsorge des Staates. Astrid Bötticher beschreibt kurz die Technologie und die damit verbundenen Herausforderungen. Damit es die staatlichen Organe nicht so kalt erwischt wie bei der Digitalisierung, hält sie im Rahmen einer Neuausrichtung der Cybersicherheit den postdigitalen Umbau für erforderlich. Schon seit vielen Jahren verunsichern immer wieder auftauchende „Feindeslisten“ Betroffene und die Bevölkerung. Um diese Straftaten besser rechtlich fassen zu können, führte der Gesetzgeber im Juni 2021 den § 126a „Gefährdendes Verbreiten personenbezogener Daten“ in das Strafgesetzbuch ein, den Dr. Manfred Reuter umfassend darstellt. Die Bedrohung ist aktueller denn je: Im Netz kursiert derzeit eine linksextremistische „Liste der 250 größten Menschenfeinde“ für den Montag nach der Wahl, und mit dem konkreten Aufruf „Töten wir die Schweine“ finden sich Anfang Oktober 53 AfD-Politiker samt Adressen auf einer einschlägigen linksextremen Internetplattform wider. Erschreckende Parallelen zum Linksterrorismus der 1970er Jahre!

Ihr
Bernd Fuchs
Chefredakteur

 


Verlag C.F. Müller

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