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Bedrohung auf Dauer: Islamistischer Terror

Editorial der Ausgabe Dezember 2020

Verehrte Leserinnen und Leser,

am 7. Januar 2015 war die Redaktion der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ Ziel eines Terroranschlages. Die Täter rechtfertigten ihre Morde mit der Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen. Zu Beginn des Strafprozesses am 2. September 2020 erschien von „Charlie Hebdo“ ein Sonderheft mit weiteren Satire-Zeichnungen Mohammeds unter der Titelseite „Tout ça pour ça“. Allein die Thematisierung dieser Abbildungen des Propheten im Unterricht unter dem Blickwinkel der Meinungsfreiheit kostete dem Lehrer Samuel Paty das Leben. Dem Schrecken der Enthauptung sind massive Einschüchterungsversuche und Drohungen gegenüber der Schule vorausgegangen. Auch ein Lehrer im Brüsseler Vorort Molenbeek wurde auf Beschwerden von Eltern sogar vom Dienst suspendiert, weil er den Fall Paty mit Schülern besprochen und dabei eine von diesem benutzte Karikatur gezeigt hatte. Frankreich und sein Präsident Emanuel Macron, der „Charlie Hebdo“ und die Meinungsfreiheit verteidigte, geriet in die Schusslinie einiger Staaten mit muslimischer Mehrheitsbevölkerung.


Der islamistische Terrorismus ist nicht zurückgekehrt, er war nie weg! Die Ereignisse im Oktober in Dresden, Paris, Nizza und am 2. November in Wien stehen im Mittelpunkt der aktuellen Analyse von Prof. Dr. Stefan Goertz. In der Verurteilung dieser Greueltaten besteht über die Parteigrenzen hinweg Übereinstimmung. Teilweise wurde in den Medien allerdings mit Verwunderung zur Kenntnis genommen, dass sich BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN nun auch der oft kritisierten Wortwahl anderer anschließen. So überschreiben sie ihren Antrag im Deutschen Bundestag vom 17.11.2020 mit „Islamistischen Terror entschlossen bekämpfen – Null Toleranz gegenüber Gefährdern“. Bei genauerem Hinsehen wird natürlich ein Dilemma offenkundig: Die äußerst unterschiedlichen Auslegungen von Begriffen wie Null Toleranz, Abschiebung, Telekommunikationsüberwachung, und Gefährder. Dies gilt auch für Prävention und Deradikalisierung, die in keinem Konzept fehlen. Mehrere der jüngst in Erscheinung getretenen islamistischen Terroristen nahmen wohl an entsprechenden Programmen teil. Sie belegen, dass selbst professionelle und wissenschaftsbasierte Radikalisierungsprävention und Deradikalisierung wie konnex bw (siehe hierzu Verena Fiebig und Dr. Daniel Köhler, 8-9/2018, S. 519-525) nur sehr selten überhaupt Zugang zur Problemklientel finden. Der gleiche Autor Dr. Daniel Köhler berichtet in dieser Ausgabe auf über den Forschungsstand des Ausstiegs aus dem Linksextremismus und -terrorismus. Umfangreichere Erfahrungen und auch Erfolge über einen längeren Zeitraum zeigen sich im Bereich Rechtsextremismus.


„Ehrenmorde“ werden in der Regel mit weiblichen Opfern in Verbindung gebracht, insbesondere weil sie intensiv in den Medien behandelt werden. Dr. Isabel Lang stellt den soziokulturellen Kontext von „Gewalt im Namen der Ehre“ dar und erläutert, warum immerhin in 43 Prozent der Fälle Männer zu Opfern von „Ehrenmorden“ werden. Dr. Claudia Heinzelmann, Prof. h.c. Erich Marks und Dr. Malte Strathmeier berichten vom coronabedingt nur digitalen Deutschen Präventionstag. Er gehört zu den wichtigen Plattformen zum Austausch vielfältiger Erfahrungen und ein noch so gut gelungener technischer Ersatz kann persönliche Gespräche nicht ersetzen. Ich vermisse diese jedenfalls sehr, auch für neue Ideen und die Gewinnung fachkundiger Autorinnen und Autoren. In diesem Sinne: Fühlen Sie sich aufgefordert und scheuen Sie sich nicht, Ihre Ideen und Skripte an die Redaktion heranzutragen.

Ihr
Bernd Fuchs
Chefredakteur


Verlag C.F. Müller

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