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Ausgabe Juni 2019

Fachartikel

 

Clankriminalität

Clankriminalität und OK – notwendige Reaktionen des Rechtsstaats
Von Ralf Schmidt und Prof. Dr. Britta Bannenberg
 

Ausländerextremismus

Die PKK
Eine aktuelle Analyse der deutschen Verfassungsschutzbehörden
Von Dr. Stefan Goertz
 

Rechtsextremismus

Sozialer Druck auf Ausstiegswillige in rechtsextremen Szenen
Ergebnisse einer qualitativen Studie
Von Denis van de Wetering, Hannah Mietke und Prof. Dr. Andreas Zick
 

Forensik

Die Bedeutung der mitochondrialen DNA-Analyse für das Strafverfahren
Von Maresa Groten und Prof. Gerhard Schmelz

Sicherung und Auswertung schwieriger Spuren: Blut-Schwitzen (Foto auf der Startseite)
Von Dr. Mark Benecke
 

Gesichtserkennung

Super-Recognizer – Hochleistende in der Gesichtserkennung
Welchen Nutzen haben sie für die Polizeiarbeit?
Von Prof. Dr. Birgitta Sticher und Nico Grasnick
 

Vernehmung

Bedeutung der frühen ersten Vernehmung für das Schwurgerichtsverfahren
Was wird sich zum 25.05.2019 ändern durch die Umsetzung der EU-Richtlinie 2016/1919/EU in nationales Recht?
Von Dr. Annette Marquardt und Karsten Bettels
 

Verfassungsrecht

Richtervorbehalt und Bereitschaftsdienst
Anmerkungen zum Beschluss des BVerfG vom 12.3.2019 – 2 BvR 675/14
Von Prof. Dr. Jürgen Vahle
 

Sportveranstaltungen

Fußballfans und Versammlungsfreiheit
Von Prof. Hartmut Brenneisen
 

Kriminalistik-Österreich

Verschwörung im Kopf: Wer glaubt denn sowas?
Von Dr. Gerhard Brenner
 

Kriminalistik-Schweiz

Alarmsystem Entführung Schweiz
Von Benedikt Scherer

 

 

 

 

 

Kriminalistik Campus

 

Beeinflussen die zeitnahe Bearbeitung und Strafverfolgung die Delinquenz Jugendlicher?
Das Virtuelle Haus des Jugendrechts in Aschaffenburg
Von Stefan Fleckenstein

Bekämpfung der organisierten Taschendiebstahlskriminalität in Zusammenhang mit Festivals und Rockkonzerten am Beispiel des Polizeipräsidiums Köln
Von Jens Hammerschlag
 

 

 

 

Recht aktuell

 

Gewahrsam des Filialleiters


Zum Tatbestand der Untreue (Vermögensbetreuungspflicht)

 

 

Literatur

 

Psychologie der Abgründe
Julia Shaw: Böse

 

  

 




 

 

Fachartikel

 

Clankriminalität und OK – notwendige Reaktionen des Rechtsstaats
Von Ralf Schmidt und Britta Bannenberg
Clankriminalität ist seit Monaten in aller Munde. Aktuell kannman fast täglich Nachrichten über Clans in den Medien verfolgen. Die Kriminalistik widmete dem Thema im Mai-Heft einen Schwerpunkt. In vielen größeren deutschen Städten werden arabische Clans verdächtigt, mit kriminellen Strukturen den Rechtsstaat zu unterwandern. Die Familien bestehen aus zahlreichen Mitgliedern: Dutzende Brüder und Schwestern, Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen – Großfamilien, unter denen viele Familienmitglieder als eingeschworene Clans strukturiert und organisiert sind. DER SPIEGEL veröffentlichte 2019 eine Titelstory über „Die Macht der Clans“ und konnte sich neben den eigenen aufwändigen Recherchen u. a. auf einen Artikel des damaligen Inspektionsleiters für Organisierte Kriminalität in Berlin, Markus Henninger, berufen, der das Phänomen schon 2002 für die Kriminalistik beschrieben hatte (Neuabdruck Heft 5/2019, S. 282 ff.). Nicht nur wegen der politischen Brisanz der ethnischen Herkunft der Täter, sondern auch wegen jahrzehntelangen polizeilichen, justiziellen und gesellschaftlichen Versäumnissen konnten diese und andere Phänomene organisierter Kriminalität zum Problem werden. Positiv an der Aufmerksamkeit für die sehr problematischen Entwicklungen der Clankriminalität wäre eine ernsthafte bundesweite Strafverfolgung der Organisierten Kriminalität in Deutschland, flankiert von weiteren möglichen rechtlichen, praktischen und präventiven Maßnahmen.

Die PKK
Eine aktuelle Analyse der deutschen Verfassungsschutzbehörden
Von Stefan Goertz
Dieser Beitrag analysiert die PKK als Akteur des Phänomenbereiches Ausländerextremismus und ihren Einfluss auf die Innere Sicherheit Deutschlands und Europas u. a. auf den Ebenen 2) Hintergründe, Entwicklung und die Ideologie der PKK, Historischer Hintergrund des Kurdenkonflikts, die Ideologie der PKK, 3) Strukturen der PKK in Europa und Deutschland, 4) die Strategie der PKK in Deutschland, Öffentlichkeitswirksame Aktionen, Reaktionen der PKK auf die türkische Militäroffensive in Afrin/Syrien, Aktion „Lebende Schutzschilde“: Aufruf der PKK an europäische Jugendliche zur Ausreise in die Region Kandil sowie Finanzierungsaktivitäten. Deutschland ist nicht-islamistischen ausländerextremistischen Organisationen – wie der PKK – ein sicherer Rückzugsraum. Von Deutschland aus kann die PKK Anhänger bzw. Mitglieder in ihren Herkunftsregionen propagandistisch, vor allem aber auch materiell und finanziell unterstützen. Die in Deutschland lebenden Anhänger ausländerextremistischer Organisationen wie der PKK sind die Empfänger politisch-strategischer Richtlinien der Führungspersonen in den jeweiligen Herkunftsländern und sind bereit, diese konsequent in die Tat umzusetzen. Daher gefährden ausländerextremistische Organisationen wie die PKK in der Bundesrepublik Deutschland und in Europa die Innere Sicherheit.

Sozialer Druck auf Ausstiegswillige in rechtsextremen Szenen
Ergebnisse einer qualitativen Studie
Von Denis van de Wetering, Hannah Mietke und Andreas Zick
Der Beitrag fasst zentrale Erkenntnisse der Studie „Soziale Formen von Gruppendruck und Einflussnahme auf Ausstiegswillige der rechten Szene“ zusammen. Auf Grundlage einer Systematik gruppenspezifischer, individueller und kontextueller Faktoren analysiert das Forschungsprojekt Interviews mit Aussteigern sowie mit Experten1 professioneller Ausstiegsprogramme. Dabei wird untersucht, welche Druckphänomene im Zuge einer Loslösung und Abwendung von rechtsextremen Gruppierungen und Organisationen zu beobachten sind. Zentral ist dabei die Frage, wie und unter welchen soziologischen und sozialpsychologischen Umständen soziale Beeinflussungsversuche und Momente der Ausübung von sozialem Druck durch die Gruppe den Ausstieg hemmen. Die Ergebnisse zeigen Ansatzpunkte für professionelle Ausstiegsprogramme. Diese werden in Handlungsempfehlungen festgehalten.

Die Bedeutung der mitochondrialen DNA-Analyse für das Strafverfahren
Von Maresa Groten und Gerhard Schmelz
Die mitochondriale DNA-Analyse (mtDNA-Analyse) stellt gewissermaßen eine Nischenmethode in der Forensik dar, die jedoch in Einzelfällen einer Kern-DNA-Analyse überlegen sein bzw. diese sinnvoll ergänzen kann. Durch sie sind grundsätzlich zwar nur Gruppen‑ und keine Individualidentifizierungen möglich, sie verfügt aber neben dem Spurenabgleich über spezifische Anwendungsmöglichkeiten wie Spezies‑ und biogeographische Herkunftsbestimmungen, welche in Einzelfällen einen besonderen Nutzen für die Forensik haben. Die diesem Artikel zugrundeliegende Bachelor Thesis1 ergab, dass die Methode in verschiedenen Bundesländern im Strafverfahren unterschiedlich oft Anwendung findet. Weiterhin zeigt sie, dass mtDNA-Analysen für vielfältige Untersuchungsziele und mittels sehr unterschiedlichem Spurenmaterial durchgeführt werden können. Mit Abstand am häufigsten wurden im Untersuchungszeitraum jedoch telogene Haare analysiert. Hierbei lag die Erfolgsrate mit über 70 % deutlich über der von Kern-DNA-Analysen telogener Haare. Weiterhin konnte im Rahmen der Arbeit gezeigt werden, dass die an eine mtDNA-Analyse gestellten Untersuchungsanforderungen in der Regel auch erfüllt werden. So wurde im Untersuchungszeitraum lediglich in einem von 74 Untersuchungsaufträgen, das Untersuchungsziel nicht erreicht.

Sicherung und Auswertung schwieriger Spuren: Blut-Schwitzen
Von Mark Benecke
In unserem Sachverständigen-Labor erachten wir alle Fälle als gleich wichtig und interessant. Dazu gehören neben Spuren von Todes-Untersuchungen auch solche von weinende Ikonen, Wunder-Ölen, Menschen mit Insekten-Wahn, Liebespfeilen von Weinberg-Schnecken und ähnliches. Bisher konnten wir durch eine Spuren-Untersuchung (anstelle von Meinen, Glauben und Abgleich mit der Alltags-Erfahrung) immer Unerwartetes und Spannendes erfahren. Die Grund- Annahmen der vom Fall Betroffenen waren zwar oft falsch, die Spuren an sich aber meist sehr wohl vorhanden. Ein typisches Beispiel dafür ist aus der Blutspurenkunde die Verbringung echten Blutes durch Fliegen: Unlogisch und gefälscht erscheinende Spritzmuster und ‑winkel, dennoch reale Spuren. Der folgende, aktuelle Fall lehrte uns, den Rahmen für Spuren-Untersuchungen sogar noch weiter zu spannen. Man stelle sich dabei vor, eine geschädigte Person oder ein Täter oder eine Täterin gäben zur Erklärung eines Blut-Spurenmusters „Blut-Schwitzen nach starker Aufregung“ an.

Super-Recognizer – Hochleistende in der Gesichtserkennung
Welchen Nutzen haben sie für die Polizeiarbeit?
Von Birgitta Sticher und Nico Grasnick
Die Gesichtserkennung ist ein komplexer Vorgang im Gehirn, der für uns Menschen überlebensnotwendig ist. Diese Fähigkeit ist aber bei manchen Menschen sehr schlecht ausgeprägt (Prosopagnosie). Einige Wenige sind hingegen überraschend gut darin, Gesichter zu erkennen – und das selbst unter widrigen Bedingungen. Diese Menschen, die weit überdurchschnittlich gut Gesichter verarbeiten, sich einprägen und (wieder-) erkennen können, werden Super-Recognizer, Super-Erkenner, genannt.
Für solche Ausnahmetalente interessieren sich nicht nur Wissenschaftler, sondern mittlerweile auch Polizeibehörden. Die ersten Super-Recognizer unterstützen bereits die Ermittlungsarbeit der Polizei in London, Köln und Berlin mit eindrucksvollen Ergebnissen.
Mit Vertretern der Berliner Polizei wurde darüber gesprochen, welche Erfahrungen bisher mit Super-Recognizern gemacht wurden, welche weiteren Einsatzmöglichkeiten für die tägliche Polizeiarbeit bestehen und wie solche Personen gewonnen werden können.

Bedeutung der frühen ersten Vernehmung für das Schwurgerichtsverfahren
Was wird sich zum 25.5.2019 ändern durch die Umsetzung der EU-Richtlinie 2016/1919/EU in nationales Recht?
Von Annette Marquardt und Karsten Bettels
Laut Pressemitteilung der zuständigen Polizei kam es kürzlich in einer niedersächsischen Kleinstadt zu einem Angriff auf einen 35-jährigen Mann. Nach Zeugenangaben konnten sieben Tatverdächtige im Alter von 16 bis 22 Jahren ermittelt und in den Abendstunden des Folgetages festgenommen werden. Das Verfahren wird u. a. geführt wegen des Verdachts des versuchten Totschlags. Einige der Tatverdächtigen haben in Vernehmungen Angaben gemacht. Das Opfer, das schwere Stichverletzungen erlitten hat, liegt im Koma. Gegen drei Tatverdächtige wurde die Untersuchungshaft, gegen einen Tatverdächtigen die einstweilige Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Dieser Sachverhalt verdeutlicht die durch die angestrebte Gesetzesänderung im Kontext der EU-Richtlinie 2016/1919/EU im Raum stehende Problematik der unverzüglichen verpflichtenden Beiordnung eines Pflichtverteidigers bereits im frühen Ermittlungsverfahren und der damit verbundenen Frage der Auswirkungen auf die Ermittlungsführung von Polizei und Staatsanwaltschaft in besonderer Weise.

Richtervorbehalt und Bereitschaftsdienst
Anmerkungen zum Beschluss des BVerfG vom 12.3.2019 – 2 BvR 675/14
Von Jürgen Vahle
Der Beschluss des BVerfG zur Durchsetzung des grundrechtssichernden Richtervorbehalts ist eine konsequente Fortsetzung bisheriger Rechtsprechung. Der Senat stellt strenge Anforderungen an das Merkmal „Gefahr im Verzug“, bei der Ermittlungsbehörden selbst die Anordnung treffen dürfen. Verletzen die zuständigen Gerichtspräsidien ihre Pflicht zur Einrichtung eines ermittlungsrichterlichen Bereitschaftsdienstes und stützten die Ermittlungsbehörden ihre Anordnungskompetenz deswegen auf Gefahr im Verzug, führt dies zur Rechts‑ und Verfassungswidrigkeit der Durchsuchungsanordnung. Verstöße gegen den Richtervorbehalt können ein Verwertungsverbot bezüglich der durch die dann (verfassungswidrige) Durchsuchung erlangten Beweismittel begründen. Das BVerfG übt mit dem „strengen“ Beschluss einen (offenbar nötigen) Druck auf die zuständigen Justizministerien aus, für die erforderliche personelle Ausstattung der Gerichte zu sorgen.

Fußballfans und Versammlungsfreiheit
Von Hartmut Brenneisen
Fußballspiele und die damit verbundenen negativen Begleiterscheinungen stehen bundes‑ und europaweit immer wieder im Mittelpunkt der sicherheitspolitischen Diskussion. Grund dafür sind neben der Gefahr terroristischer Anschläge gerade auch die mit Spielen der Profiligen einhergehenden Ausschreitungen gewalttätiger Fans, die regelmäßig zu Großeinsätzen der Polizei und damit verbunden zu erheblichen Belastungen für die öffentlichen Haushalte führen. Berechtigt wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass der Staat zwar über das „Gewaltmonopol“, nicht aber über ein „Sicherheitsmonopol“ verfügt und auch die Veranstalter zu Schutzmaßnahmen innerhalb ihres Regiebereichs verpflichtet sind. Im Einzelfall stellt sich dennoch die Frage, ob und in welchem Umfang für Fußballfans bei besonderen Aktionen die Versammlungsfreiheit zu berücksichtigen ist.

Verschwörung im Kopf: Wer glaubt denn sowas?
Von Gerhard Brenner
Verschwörungstheorien sind in den vergangenen Jahren stärker in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung gerückt. Ihre Hochblüte schien mit dem Aufkommen der Informationsgesellschaft vorbei zu sein – spätestens seit den 1970er-Jahren. Doch mit dem Übergang in die Kommunikationsgesellschaft Anfang des neuen Jahrtausends scheinen Verschwörungstheorien plötzlich wieder präsenter zu sein. Selbst prominente Politiker glauben offenbar an „einen großen Plan“. Lange Zeit galten Verschwörungsgläubige als verrückt. Doch demnach müsste jeder dritte US-Amerikaner verrückt sein. Denn dort glaubt jeder Dritte zum Beispiel, dass John F. Kennedy Opfer einer Verschwörung wurde und dass diese bis heute verheimlicht wird – vom CIA, vom FBI und von allen auf Kennedy nachfolgenden US-Präsidenten.

Alarmsystem Entführung Schweiz
Von Benedikt Scherer
Entführungen von Menschen sind weltweit eine Realität. Die Schweiz hat sich mit dieser Thematik intensiv befasst und 2010 ein Alarmsystem für Kindesentführungen entwickelt. Bis jetzt musste der Alarm glücklicherweise noch nie in einem „scharfen“ Fall eingesetzt werden. Hingegen wurden Dutzende Übungen mit allen Partnern durchgeführt und man war mehrmals kurz vor einer Auslösung. 2018 wurde das System so ausgebaut, dass es auch bei Entführungen von Erwachsenen genutzt werden kann. Dadurch ist die Schweiz noch besser vorbereitet, um bei einem Ereignis dieser Art noch schneller reagieren zu können.





  


 

 

 

Kriminalistik Campus

Redaktion: Thomas Schulte, Kriminaldirektor, Leiter Fachgebiet III.3 (Phänomenbezogene Kriminalstrategie), Deutsche Hochschule der Polizei, Münster

Die vorliegende Ausgabe der Kriminalistik beinhaltet zwei Hausarbeiten des Masterstudiengangs „Öffentliche Verwaltung – Polizeimanagement“ an der Deutschen Hochschule der Polizei. Die Hausarbeiten wurden als Prüfungsleistung im Modul „Kriminalität – Phänomen, Intervention und Prävention“ im Frühjahr 2018 gefertigt. Beide Arbeiten befassen sich mit Themen aus dem Bereich der Allgemeinkriminalität. Eine Arbeit befasst sich inhaltlich mit der Fragestellung, inwieweit ganzheitliche und vor allem beschleunigte Bearbeitung der Straftaten die Delinquenz Jugendlicher beeinflussen. Das zweite Thema befasst sich mit einem vordergründigen Massenphänomen, nämlich dem Taschendiebstahl auf Festivals und Rockkonzerten, welches sich aber bei einem näheren Blick schnell als täterseitig organisiertes Vorgehen entpuppt. In diesem Zusammenhang wurden in der Vergangenheit, insbesondere durch das PP München, bereits europaweite Kooperationen bezüglich der mobilen Täter initiiert.
Stefan Fleckenstein befasst sich mit dem Thema Jugenddelinquenz. In der Einleitung leitet er zunächst kurz historisch her, wie die sog. „Häuser des Jugendrechts“ sich in Deutschland entwickelt haben. Im Weiteren prüft er dann insbesondere drei Hypothesen, nämlich zur Frage der zeitnahen staatlichen Reaktion, zur Frage nach präventiven oder repressiven Maßnahmen sowie zur Frage der Kooperation zwischen Strafverfolgungs- und Jugendschutzbehörden. Im Weiteren beschreibt er in sehr anschaulicher Form die Aufbau- und Ablaufstruktur des „virtuellen“ Hauses des Jugendrechts in Aschaffenburg, um abschließend, insbesondere unterstützt durch ein Experteninterview, seine drei Hypothesen intensiv zu diskutieren und ein konsistentes Ergebnis vorzulegen.
Jens Hammerschlag befasst sich mit der Bekämpfung organisierter Taschendiebstahlsbanden auf Festivals und Rockkonzerten. Er beschreibt zunächst das Grundproblem und stellt auch frühzeitig die europaweite Kooperation durch das PP München („SPOC Taschendiebstahl“) dar. Nach einer durch ein praktisches Beispiel flankierten Lagedarstellung sowie einer sehr informativen Darstellung des Phänomens und der Täter stellt er dann einen operativen Bekämpfungsansatz aus dem PP Köln dar. Insgesamt gibt die Arbeit damit einen sehr guten Überblick über den Modus Operandi der Täter, aber auch über erfolgversprechende polizeiliche Bekämpfungsansätze.
Somit liegen zwei Hausarbeiten vor, welche zwar in unterschiedlichen Themenbereichen anzusiedeln sind, dennoch aber für den fachkundigen Leser eine sinnvolle Vertiefung und für den Laien eine gute Basis für ein Einlesen in die Themenfelder Bekämpfung von Jugendkriminalität und Bekämpfung des (organisierten) Taschendiebstahls sind.

Beeinflussen die zeitnahe Bearbeitung und Strafverfolgung die Delinquenz Jugendlicher?
Das Virtuelle Haus des Jugendrechts in Aschaffenburg
Von PHK Stefan Fleckenstein

Bekämpfung der organisierten Taschendiebstahlskriminalität in Zusammenhang mit Festivals und Rockkonzerten am Beispiel des Polizeipräsidiums Köln
Von Jens Hammerschlag, Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen


 

 

 

  


 

 

 

Recht aktuell

 

Gewahrsam des Filialleiters
1. Gewahrsam ist die vom Herrschaftswillen getragene tatsächliche Sachherrschaft eines Menschen über eine Sache. Ob und wer Gewahrsam an einer Sache hat, beurteilt sich nach den Umständen des konkreten Sachverhaltes und den Anschauungen des täglichen Lebens.
2. Ein nicht in der Filiale anwesender Filialleiter hat nicht immer auch Gewahrsam an dem in der Filiale aufbewahrtem Bargeld; es muss auf die konkreten Umstände im Einzelfall abgestellt werden.
BGH, Beschl. v. 9.1.2019 – 2 StR 288/18

bb





Zum Tatbestand der Untreue (Vermögensbetreuungspflicht)
1. Eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB setzt voraus, dass der Täter gegenüber dem (potentiell) Geschädigten eine inhaltlich besonders herausgehobene, nicht nur beiläufige Pflicht zur Wahrnehmung von dessen Vermögensinteressen innehat, die über die für jedermann geltenden Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflichten und die allgemeine Pflicht, auf die Vermögensinteressen des Vertragspartners Rücksicht zu nehmen, hinausgeht
2. Allgemeine schuldrechtliche Verpflichtungen, insbesondere aus Austauschverhältnissen, reichen nicht aus. Dies gilt auch dann, wenn sich hieraus Rücksicht- oder Sorgfaltspflichten ergeben.
3. Kaufverträge begründen, wenn sie nicht aufgrund einer besonderen Vertragsgestaltung zugleich Elemente der Geschäftsbesorgung enthalten, keine Treuepflichten i. S. des § 266 Abs. 1 StGB
4. Die Rechtsprechung, nach der sich ein Rechtsanwalt, der Gelder für einen Mandanten in Empfang nimmt und nicht einem Anderkonto zuführt, sondern anderweitig verwendet, der Untreue strafbar macht, ist, da dort die Pflicht zur Zuführung auf ein Anderkonto aus dem Anwaltsvertrag und der damit einhergehenden Pflicht die Vermögensinteressen des Mandanten wahrzunehmen hergeleitet wird, mit dem Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrages mit Anzahlungsverpflichtung nicht vergleichbar.
BGH, Beschl. v. 4. 12. 2018 – 2 StR 421/18

jv

 


Literatur

 

Psychologie der Abgründe
Julia Shaw: Böse – die Psychologie unserer Abgründe, Carl Hanser Verlag, München, 2018; geb., 320 Seiten, 22 Euro
In „Böse“ geht es nicht um das offenkundig Böse, das Serien- und Massenmörder zu ihren Meuchel- und Amoktaten bringt. Es geht um das Böse, das in jedem Menschen steckt. Schließlich haben rund drei Viertel der Männer und zwei Drittel der Frauen bereits einmal in ihrem Leben Mordfantasien gehegt.
In ihrem Buch schreibt Julia Shaw, sie habe eine „Abneigung gegen Typologien“, bei denen Mörder nach ihren „Machtgelüsten“ oder nach den Umständen klassifiziert werden, wie sie den Tatort hinterlassen haben. Shaw setzt sich mit Typologien auseinander, die auf wissenschaftliche Weise erforscht wurden, etwa jene von Albert Roberts, der Tötungsdelikte nach den Motiven der Mörder klassifiziert, nach Umweltfaktoren, nach Demografie und nach zwischenmenschlicher Dynamik.
Julia Shaw erläutert Studien, in denen erforscht wurde, worin sich „normale“ Menschen von jenen unterscheiden, die einen Mord begangen haben. Sie kommt unter anderem zu dem Schluss, dass das Gehirn eines Massenmörders – etwa jenes von Adolf Hitler – wahrscheinlich nicht viel anders ausgesehen hätte als jenes eines sozial unauffälligen Menschen. Auch die „dunkle Triade“ („Psychopathie“, „Narzissmus“ und „Machiavellismus“, die in den letzten Jahren um den „Sadismus“ zur „dunklen Tetrade“ erweitert wurde) umfasst Eigenschaften, die nicht nur auf Menschen zutreffen, die wegen eines Mordes im Gefängnis sitzen, sondern auch auf Wissenschaftler, Firmenbosse und viele Führungskräfte.

gb


Verlag C.F. Müller

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